Dienstag, der 4. Mai 1869:
Eine geständige Berliner Diebin im Trauerkleid
(Berliner Kriminalgeschichten)

Ein Ökonom von auswärts bereist Berlin. Er möchte einen amourösen Abend verbringen und macht die Bekanntschaft einer Frau, die ihn interessiert. Er lädt sie mit eindeutigen Absichten zum Essen ein – doch weit schreitet der gemeinsame Abend nicht voran. Am Ende des Treffens ist er um seine Geldbörse betrogen und um 465 Thaler erleichtert.

Die Ereignisse trugen sich im Frühjahr 1869 in Berlin zu und hatten ein gerichtliches Nachspiel, das vor der vierten Deputationskammer verhandelt wurde, wie die Berliner Gerichtszeitung vom 4. Mai 1869 meldete. Unter Anklage stand die „unverehelichte Emma Meyer, bereits wegen Diebstahls bei zärtlichen Rendevouz bestraft“, der Kammer also keine Unbekannte, wie die Gerichtszeitung berichtete.

„Vor einigen Wochen machte sie die Bekanntheit eines Oeconomen von außerhalb, besuchte mit diesem einen Delicatessenkeller und stahl ihm bei dieser Gelegenheit eine Brieftasche mit 465 Thalern.“

Nach dem Kaufkraftvergleich historischer Geldbeträge des wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages auf dem Jahr 2015 entsprach die Kaufkraft eines Thalers dieser Zeit ungefähr 26,60 Euro – womit in grober Schätzung der Geldbetrag der Geldbörse heute mehr als 12.000 Euro entspräche.

Zum Verhängnis wurde der Diebin ihr auffälliges Äußeres. „Ermittelt wurde sie in Folge einer auffälligen Trauerkleidung, welche sie auch an dem verhängnisvollen Abend getragen“, so die Gerichtzeitung. Vor Gericht wurde ausführlich der Verbleib des Geldes erörtert, der nur zum kleineren Teil im Besitz der geständigen Beklagten befand. 40 Thaler wurden sichergestellt, 25 Thaler hatte sie nach eigenen Aussagen bereits ausgegeben – doch wo verblieb der Rest? „Die Angeklagte leugnet nicht, dem Herrn Oeconomen die Brieftasche gestohlen zu haben“, meldete die Gerichtszeitung weiter,

„und erklärt den Verbleib jener fehlenden 400 Thaler dadurch, daß sie angiebt, sie habe, als sie die Brieftasche zu Hause geöffnet und so viel Geld erblickt, einen solchen Schreck bekommen, daß sie die vier 100 Thaler-Scheine sogleich – verbrannt habe.“

Das Gericht verurteilte Frau Meyer zu einem Jahr Gefängnis und 1 Jahr Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte, womit unter anderem das aktive und passive Wahlrecht von Frau Meyer beschnitten wurde. In ihrem Sinne bleibt zu hoffen, dass sie sich mit einem möglicherweise doch aus der Tat geretteten Geldbetrag von dem Schreck erholen konnte.

——

Biographische Zusammenstellung / Autor: Josefine Gärtner
Lektorat: Daniel Funke

——

Quellen: